
ESC-Leitlinie für Diagnose & Behandlung von Patienten mit akuter und chronischer Herzinsuffizienz
Das Update der ESC-Behandlungsleitliniei 2021 beinhaltete unter anderem einen neuen, vereinfachten Therapiealgorithmus zur Behandlung von Herzinsuffizienz mit reduzierter Auswurffraktion (HFrEF). Zudem umfasst es Empfehlungen für das Management von Patienten nach einer HF-bedingten Hospitalisation.1
Vereinfachter Therapiealgorithmus zur HFrEF-Behandlung
Ein fundamentaler Bestandteil der Therapie von HFrEF-Patienten ist die medikamentöse Therapie. Vor dem Erwägen von Interventionen (Device therapy) wird empfohlen, die medikamentöse Behandlung in Verbindung mit nicht-pharmakologischen Massnahmen voll auszubauen. Eine grosse Neuerung stellt der Verzicht des konventionellen Stufenschemas zur Therapieeinleitung dar. Bislang sollte die medikamentöse Therapie sequenziell nach Erreichen der jeweiligen Zieldosis aufgebaut werden. Experten kritisierten die lange Dauer bis zum Erreichen einer voll ausgebauten Therapie.2
Gemäss der Leitlinie sollen alle HFrEF-Patienten zur Reduktion der Mortalität, Verringerung des Risikos von HF-Hospitalisationen und Reduktion der Symptome einen ACEi oder ARNI, Betablocker, MRA und einen SGLT2i erhalten (alle Klasse-IA-Empfehlung, für ARNI Klasse IB). Die Reihenfolge der Therapieinitiierung bleibt neu dem behandelnden Arzt überlassen. Der ARNI Sacubitril/Valsartan wird als Ersatz für einen ACEi empfohlen, um die Risiken einer Hospitalisation und des Todes durch HF zu verringern.3 Beim Switch von einem ACEi auf Sacubitril/Valsartan ist eine Auswaschphase von 36 Stunden einzuhalten. Das minimiert das Angioödem-Risiko. Neu kann ein ARNI auch als Erstlinientherapie in Betracht gezogen werden.4,5
Diese Erstlinientherapie-Empfehlung basiert auf den Ergebnissen der Studien PIONEER-HF und TRANSITION. Sie haben auch die Anwendung des ARNI Sacubitril/Valsartan bei hospitalisierten Patienten untersucht, die zuvor nicht mit einem ACEi behandelt wurden. Die Studien belegten die Sicherheit und Verträglichkeit der Einleitung einer ARNI-Behandlung in diesen Patienten. Im Vergleich zur Behandlung mit Enalapril reduzierten sich kardiovaskuläre Todesfälle oder HF-Hospitalisationen um 42 %.4,5 Hieraus leitet sich ab, dass eine Initiierung von Sacubitril/Valsartan in ACEi-naiven Patienten (z. B. de novo) in Betracht gezogen werden kann.
Neu war 2021 auch die Klasse-IA-Empfehlung der SGLT2i Dapagliflozin und Empagliflozin für alle bereits mit ACEi oder ARNI, Betablocker und MRA behandelten HFrEF-Patienten mit oder ohne Diabetes – sofern die SGLT2i vertragen werden und nicht kontraindiziert sind. Diese Empfehlung basiert auf den Ergebnissen der DAPA-HF Studie sowie der EMPEROR-Reduced Studie.6,7
Schleifendiuretika werden weiterhin empfohlen, um Anzeichen und/oder Symptome einer Volumenüberlastung bei Patienten mit HFrEF zu reduzieren und die körperliche Leistungsfähigkeit zu verbessern.8 Dabei muss im Blick bleiben, dass ein ARNI, MRAs und SGLT2i die Diurese steigern können.9,10 Aus diesem Grund sollte die Dosis der Diuretika beim Wechsel vom ACEi auf den ARNI überprüft werden.
Angiotensinrezeptorblocker (ARB) haben einen tieferen Stellenwert in der Herzinsuffizienz-Therapie. Sie sind nur bei Patienten indiziert, die keinen ACEi oder ARNI vertragen (Klasse-IB-Empfehlung).
Herzinsuffizienz-Management vor und nach der Entlassung
Die Leitlinie empfiehlt bei Patienten, welche mit akut dekompensierter HF (ADHF) hospitalisiert wurden, ein Fortsetzen der oralen optimalen medizinischen Therapie (OMT). Eine Dosisreduktion oder das Absetzen der OMT wird nur empfohlen, wenn eine hämodynamische Instabilität (symptomatische Hypotonie), eine schwere Beeinträchtigung der Nierenfunktion oder eine Hyperkaliämie vorliegen. Nach erfolgreicher Stabilisierung durch eine i. v. Therapie sollte die medikamentöse Behandlung vor der Entlassung optimiert werden.11
Die Behandlungsoptimierung sollte darauf abzielen, den Volumenstau zu beheben. Außerdem gehört das Therapieren von Komorbiditäten mit Einfluss auf die Prognose dazu – sowie, eine orale OMT mit positivem Einfluss auf die Prognose einzuleiten oder wiederaufzunehmen. Die Dosierung der Medikamente kann vor der Spitalentlassung und/oder zeitnah danach gesteigert werden.
Die Einleitung einer ARNI-Therapie kann gemäss der neuen Leitlinien als sicher betrachtet werden. Sie ist bei kürzlich hospitalisierten, stabilen Patienten mit HFrEF in Betracht zu ziehen, auch wenn diese ACEi/ARB-naiv sind.4,5
Die Leitlinien empfehlen weiterhin eine frühzeitige Nachsorgeuntersuchung innerhalb von ein bis zwei Wochen nach der Entlassung. So lassen sich Anzeichen einer Stauung und Verträglichkeit der Medikamente beurteilen. Und es kann eine evidenzbasierte Therapie begonnen und/oder erhöht werden (Klasse-IC-Empfehlung).12,13
Retrospektive Studien zeigen, dass ein solcher Ansatz mit engmaschiger Kontrolle mit reduzierten 30-Tage-Rehospitalisierungsraten verbunden ist.14,15
Weitere Details und Informationen finden Sie in der offiziellen 2021-ESC-Leitlinie zur Diagnose und Behandlung der akuten und chronischen Herzinsuffizienz.1 Zur Originalpublikation gelangen Sie hier.
i Entwickelt von der Task Force zur Diagnose und Behandlung der akuten und chronischen Herzinsuffizienz der European Society of Cardiology (ESC) mit dem besonderen Beitrag der Heart Failure Association (HFA) der ESC
Referenzen
McDonagh TA, et al., 2021 ESC Guidelines for the diagnosis and treatment of acute and chronic heart failure: Developed by the Task Force for the diagnosis and treatment of acute and chronic heart failure of the European Society of Cardiology (ESC) With the special contribution of the Heart Failure Association (HFA) of the ESC. Eur Heart J 2021;42:3599–372.
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